Überblick über die Ausgrabungen im Lindenquartier

Geschrieben am 27.11.2025
von Thomas

Die Befestigungsanlagen

Von Thomas Budde

In dem lagen Zeitraum von 2021 bis 2024 führte der Verfasser im Auftrag des Bauherrn mit Helfern baubegleitende Ausgrabungen im Bereich des Peiner Lindenquartiers durch. Komplett aufgearbeitet oder gar ausgewertet sind diese bisher größten und fundreichsten Ausgrabungen im Peiner Stadtgebiet noch nicht. Es soll den interessierten Bürgern hiermit aber ein erster Überblick in drei Teilen gegeben werden.

Der erste große Komplex sind die Befestigungsanlagen bzw. Wehranlagen der Stadt. Erste überraschende Ergebnisse stellten sich schon bei der Anlegung neuer Versorgungsleitungen für das Großbauprojekt in der Bahnhofstraße ein. Hier wurde zunächst in mehreren Lagen die südliche Ausfallstraße der Altstadt angeschnitten. Die älteste Wegoberfläche war ein in 1,10 m Tiefe liegendes Feldsteinpflaster. Der Weg verlief leicht schräg zur heutigen Bahnhofstraße, nach Südwesten, und war überraschend von zwei künstlichen Senken begleitet, die bis 3 m Tiefe unter der heutigen Oberfläche reichten. Es wurde deutlich, dass die südliche Ausfallstaße der Stadt damals von Gräben bzw. Stauteichen begleitet war, durch die der Weg besser überwacht werden konnte. Die Anlage muss in Beziehung mit dem 2014 am Übergang Gröpern-Bahnhofstraße entdeckten äußeren Stadttor, dem Tor der Gröpernvorstadt gestanden haben. Funde aus den Stauteichen datieren die die allerdings recht spät, nämlich in die Zeit um 1600, was aber durchaus zur damaligen Datierung des Stadttores passt.

Während die Anlage unter der Bahnhofstraße zuvor gänzlich unbekannt war, sind im eigentlichen Lindenquartier zwei mächtige Grabenanlagen schon vorher durch Stadtpläne aus dem 18. Jahrhundert grob bekannt gewesen, allerdings nie archäologisch untersucht worden. Es handelt sich um den am Nordrand - etwa parallel zur Wallstraße – verlaufenden südlichen Altstadtgraben und den die Gröpern-Vorstadt in weitem Bogen einfassenden äußeren Stadtgraben Da vorherzusehen war, dass die Gräben durch die Bauarbeiten im Lindenquartier auf einer Stecke von über 200 Metern (!) überbaut und dabei dafür weitgehend ausgehoben werden mussten, wurden die umfangreichen Arbeiten mit großer Spannung, aber auch Anspannung erwartet, denn der Baubetrieb der Großbaustelle war mittlerweile in vollem Gange. In den Jahren 2021 bis 2023 gelang es schließlich, beide Gräben mithilfe von Groß- und Minibaggern und sowie Grabungsteams parallel zu den Bauarbeiten vollständig zu untersuchen.

Es war klar, dass die Gräben reichliches Fundmaterial enthalten würden. Vor allem der Altstadtgraben sollte sich als große Fundgrube erweisen. Da die Gräben erst im 19. Jh., der Vorstadtgraben sogar teilweise erst im 20. Jh. endgültig verfüllt worden ist, konzentrierte sich die Fundsuche auf die untere Hälfte der Grabenfüllungen. Die darin enthaltenen, aus dem ausgehenden 16. Jh. bis 17. Jh. stammenden Funde sind mit Abstand größte jemals in der Peiner Altstadt geborgene Fundkomplex. Sie erlauben eine Datierung der Anlegung beider Gräben in das letzte Viertel des 16. Jahrhunderts. Der somit frühneuzeitliche Altstadtgraben ersetzte dabei den archäologisch bekannten mittelalterlichen Stadtgraben, der weiter stadteinwärts verlief.

Es wurden deutliche Unterschiede zwischen beiden Gräben festgestellt. Der Vorstadtgraben war ca. 15 bis 16 Meter breit, von der heutigen Oberfläche gemessen 2,70 Meter tief und wies ein muldenförmiges Querschnittprofil auf. Da er offensichtlich nie ausgeräumt worden ist, kann er nicht lange als Befestigungsgraben in Funktion gewesen sein. So konnte sich im Sohlbereich allmählich eine dicke torfige Schicht bilden, von der zahlreiche Proben mit organischem Material geborgen worden sind, die im Falle einer Untersuchung der Biosubstanz Aussagen über die Vegetation und Umweltbedingungen im frühneuzeitlichen Peine erlauben würden. Der gut 14 Meter breite und drei Meter tiefe Altstadtgraben dagegen erwies sich als ausgebauter Befestigungsgraben mit steilerer Böschung. Es wurde ein regelmäßiges System eingerammter Eichenpfähle nachgewiesen, die inzwischen dendrochronologisch in die Zeit von 1630 bis 1643 datier t werden konnten. Während dieses Pfahlsystem bisher nicht sicher interpretiert werden konnte, deuten andere Holzeinbauten aus der Zeit von 1761 bis 1781 auf Versuche, den wehrtechnisch nicht mehr benötigten Graben zu überbrücken, um leichter in die Altstadt zu gelangen.

Verfasser:

Thomas Budde M.A.

Archäologie Peiner Land

Im kleinen Hope 31

31234 Edemissen-Abbensen

Tel. 05177-985 345



Fotos



Fotos: Th. Budde

Blick in die Bahnhofstraße vor der Citygalerie im Jahr 2021. Im Leitungsgraben ist die Sohle westlichen Stauteichs erreicht, der die südliche Ausfallstraße Peines flankierte.







Lind1BeAbb2:

In Planum unter den heutigen EDEKA-Markt zeigte sich 2021 die dunkle Bodenverfärbung bzw. Füllung des äußeren Stadtgrabens . Foto vom Baukran.

Lind1BeAbb3:

Dieselbe Situation mit der dunklen Verfärbung des äußeren Stadtgrabens von Südosten mit Gewerkschaftshaus und Töpfers Mühle im Hintergrund. Lind1BefAbb4:

Querschnitt durch den gut 14 m breiten, aber nur ca. 2,70 m tiefen äußeren Stadtgraben . Aufgrund einer mit Kies verfüllten modernen Störung ist das Grabenprofil nicht komplett dunkel, doch war die Grabensohle ungestört.



Lind1BefAbb5:

Grabungen im komplett ausgeräumten südlichen Altstadt-Stadtgraben im Spätsommer 2022. Rechts ist die Hinterbebauung der Wallstraße zu sehen.



Lind1BefAbb6:

Im Frühjahr 2023 konnte der mächtigte Altstadt-Stadtgraben näher zum Gröpern hin nahezu auf voller Breite untersucht werden. Auf der Sohle sind die Stümpfe einiger der systematisch geborgenen und eingemessenen Eichenpfähle zu sehen.