Überblick über die Ausgrabungen im Lindenquartier. Teil 2 (von 3): Der Gröpern -Töpfereien und die Siedlungsgeschichte der Gröpernvorstadt
Geschrieben am 05.12.2025
von Thomas
Version vom 04.12.2025
Überblick über die Ausgrabungen im Lindenquartier. Teil 2 (von 3):
Der Gröpern -Töpfereien und die Siedlungsgeschichte der Gröpernvorstadt
Von Thomas Budde
Der Verfasser war zwischen 2021 und 2024 durch den Bauherrn mit der archäologischen Baubegleitung im Lindenquartier (ehmalige Hertie-Brache) beauftragt. Von 2021 bis 2023 erstreckten sich die Ausgrabungen im Osten, wo einst die Lindenstraße in den Gröpern einmündete, auch auf die eigentliche Gröpernvorstadt, also westliche Grundstücke des alten Straßenzuges Gröpern, wo bekanntermaßen die Peiner Töpfer lebten. Durch frühere Entdeckungen und Ausgrabungen stand bereits fest, dass in der östlichen Gröpern-Vorstadt von der Härke-Brauerei bis hin zum Bahnhof in großem Stil spätmittelalterliche Töpferwaren hergestellt worden sind. Wie es aber hier im westlichen Teil aussehen würde, war bis zum Beginn der Lindenquartier-Grabungen nahezu unbekannt. In einem Rohrleitungsgraben vor dem Härke-Ausschank wurden im Jahre 2012 erstmals größere Mengen frühneuzeitlicher glasierter Keramikscherben aus dem 16. bis 17. Jh. den Töpfereien zugewiesen. Die leider nur einmalige Erwähnung der Peiner Töpfergilde im Jahre 1627 fand somit erstmals eine archäologische Bestätigung. Die Erwartung war somit, im Lindequartier weitere Nachweise der neuzeitlichen Keramikproduktion zu finden.
Die Erwartung sollte sich schließlich mehr als erfüllen. Trotz zahlreicher moderne Störungen, die vor allem auf die Zeit des ehemaligen City-Centers zurückgehen, wurden an den ungestörten Stellen große Mengen von Töpfereiabfällen mit Keramikscherben, Holzkohle, Brennofenteilen und Töpferton, daneben immer auch Tierknochen, gefunden. Die dichten Scherbenpackungen dienten oft als Bettung für Pflasterungen aus Feldsteinen, Eisenschlacken oder auch Sandsteinen. Im späteren Verlauf der Grabungen fanden sich frühneuzeiltliche Töpfereiprodukte in noch weit größeren Mengen als Abwurf in der Füllung des neuzeitlichen Stadtgrabens (siehe erster Bericht), darunter auch ganze und oder noch zusammensetzbare Gefäße. Den größten Anteil unter den ermittelten Gefäßtypen machen Töpfe, Grapen (Dreibeintöpfe), Schalen und Pfannen mit Innenglasur aus. Die hier verwendete wasserdichte Bleiglasur war zwar schon im Mittelalter bekannt, setzte sich aber erst im 16. Jh. vollends durch. Daneben wurde weiterhin unglasierte graue bis beigefarbene Irdenware in mittelalterlicher Tradition festgestellt.
Die eigentliche Überraschung aber stellt der Nachweis von großen Mengen bemalter Irdenware („Malhornware“) sowie reliefverzierter Ofenkacheln („Renaissancekacheln“) in höchster Qualität dar. Die Malhornware entspricht fast exakt den Produkten, die in den Töpfereien des „Pottlandes“ bis Nordhessen als „Weser-“und Werraware“ auch für den Fernhandel hergestellt worden sind. Das sich auch der Gröpern hier einreihen würde, war vor den Lindenquartiergrabungen nicht zu ahnen. Das Ende der Peiner Töpfereien – zumindest der Massenproduktion - scheint den Funden nach spätestens in der Mitte des 17. Jh. gekommen zu sein.
Zu den Töpfereifunden kommen noch siedlungsgeschichtliche Erkenntnisse über den Gröpern hinzu. Am Anfang steht ein westlicher Begleitgraben der Straße Gröpern, ein über 5 m breiter und von der heutigen Oberfläche 2,60 m tiefer Spitzgraben, der vermutlich schon seit der in der Stadtgründungszeit die südliche Ausfallstraße der Stadt säumte. Von diesem zweigte nach Westen ein Entwässerungsgraben zur Fuhseniederung ab. Der Straßengraben wurde spätestens um 1300
verfüllt und mit einer Pflasterung aus dicken Schmiedeschlacken abgedeckt. In der Grabenfüllung fanden sich unter anderem zahlreiche Scherben von früher Gröpernkeramik aus dem späten 13. Jh., die den Beginn der Töpfereien wie auch der Vorstadt insgesamt markiert. Außerdem wurden bei den Lindenquartiergrabungen auch gewisse Reste der spätmittealterlichen Produktion aus dem 14. Jahrhundert nachgewiesen.
Unter dem jetzt wieder überbauten Gebäude Gröpern 19 wurden schließlich regelrechte Siedlungsfunde mit Bebauungspuren wie Pfostengruben und einem Gebäudefundament aus dem 16. Jh. sowie Abfall- und Vorratsgruben gemacht. Im Gröpern wurde eben auch ganz normal gelebt. Erdprofile zeigten mindestens zwei mittelalterliche Siedlungsschichten und darüber die durch Stadtbrände geprägten Siedlungsorizonte des 16. Jahrhunderts.
Lind2GröAbb1:
Freigelegter westlicher Straßengraben des mittelalterlichen Gröpern aus dem 13. Jahrhundert (rechts) mit maximaler Tiefe von 2,55 m. im Hintergrund Helferin Sabine Eisner und der Gröpern in Richtung Bahnhofstaße.
Lind2GröAbb2:
Ein Teilbereich der Ausgrabungen unter Grundstück Gröpern 19, mit verschiedenen mittelalterlichen bis frühneuzeitlichen Siedlungsbefunden. Im Hintergrund der Gröpern, rechts die Gaststätte „Härkeausschank“
Lind2GröAbb3:
Unter dem heutigen Durchgang zum Lindenquartier wurde ein 40 kg schwerer Batzen originaler Töpferton in Zusammenhang mit Kermik aus grauer Irdenware der Zeit um 1400 gefunden, darunter eine kleine Trichterrandkanne.
Lind2GröAbb4:
Kleine Fundkollektion von Gröpernkeramik aus der Stadtgrabenfüllung: Bemalter Teller nach Art der „Weserware“, drei braune Steinzeugfläschchen bzw. Salbtöpfchen sowie ein unglasiertes Halbfabrikat einer reliefverzierten Ofen-Leistenkachel. Alles aus dem 1. Drittel des 17. Jh.
Lind2GröAbb5:
Ofenkachel der Gröpern-Produktion des 16 Jh. von der Sohle des frühneuzeitlichen Stadtgrabens. Sie zeigt eine Engelsfigur, die einen Wappenschild hält.
Lind2GröAbb6:
Model (Matrize) aus gebranntem Ton für die Herstellung einer Wappenkachel mit Greifenmotiv (16. Jh.). Ebenfalls aus dem Stadtgraben.